Berlin (dpa)
Investor Windhorst: Fans sollen Hertha-Präsidenten abwählen
Bei der Hertha wird Magath zum Facetime-Felix. Seine digitalen Anweisungen führen zur sportlichen Wende beim Krisen-Team. In die Euphorie hinein schießt der Investor massiv gegen Club-Chef Gegenbauer.
Felix Magath kann sogar als Online-Trainer Wunder vollbringen. Nur für Ruhe bei Hertha BSC reichen auch seine Magier-Qualitäten einfach nicht aus.
Nur einen Tag nach dem sportlichen Befreiungsschlag durch das euphorisch gefeierte 3:0 (1:0) gegen die TSG 1899 Hoffenheim mit dem an Corona erkrankten Magath als Facetime-Felix im Hotel und Assistenten-Brummbär Mark Fotheringham an der Seitenlinie sorgte Millionen-Investor Lars Windhorst für den nächsten großen Wirbel beim Berliner Fußball-Bundesligisten.
Magath hatte gerade erst mit noch krächzender Stimme beim TV-Sender Bild sein ungewöhnliches Bundesliga-Comeback in der Hotel-Isolation geschildert. „Ich habe auf meinen Trainerstuhl gesessen und das Fernsehbild in Ruhe angeguckt“, sagte Magath und fügte an. „Der Sieg war wunderbar. Aber wir haben noch viel Arbeit vor uns.“ Da stellte der vom jahrelangen Misserfolg frustrierte Geldgeber Windhorst als Studio-Gast unmissverständlich die ultimative Machtfrage.
Windhorst: In kurzer Zeit so viel Geld verbrannt
Hertha-Präsident Werner Gegenbauer muss weg, so die klare wie brisante Aussage von Windhorst zur besten Sonntags-Frühstückszeit. Nur mit einer neuen Führung könne es von ihm neue Finanzmittel geben. Und die könnten die Berliner gerade bei einem Abstieg in die Zweite Liga dringend nötig haben, deutete der Unternehmer eine bedrohliche finanzielle Schieflage bei seinem Big City Club an.
Was jetzt auch Berlin-Neuling Magath weiß: Das Verhältnis zwischen Langzeit-Präsident und Investor ist zerrüttet. Seine 375 Millionen Euro sind aus Sicht von Windhorst nutzlos ausgegeben worden. Jetzt geht er ungeachtet der Hoffnungszeichen im Abstiegskampf richtig in die Offensive. Die Hertha sei für Gegenbauer nur ein „Spielzeug“. Die Fans müssten bei der Mitgliederversammlung im Mai für dessen Abwahl sorgen. Er selbst stehe nicht für den Chef-Job im Club zur Verfügung. Seine vielen Geschäfte ließen ihm keine Zeit. Er werde auch keinen Gefolgsmann positionieren, baue aber auf den Umsturzwillen der Fans.
Es sei „in der Tat schockierend“, dass beim Hauptstadt-Club „in kurzer Zeit so viel Geld ausgegeben, verbrannt wurde“, monierte Windhorst. Auch Fredi Bobic sei ein „Opfer“ der Gegenbauer-Politik und überrascht über den desolaten Zustand in der Club-Leitung, zog Windhorst den Geschäftsführer mit einem verbalen Trick quasi auf seine Seite. Bobic äußerte sich zu dem Geschehen am Sonntag nicht.
Gegenbauer: Sportlich schwierige Situation
Gegenbauer vermied im großen Berliner Machtkampf in einer ersten Reaktion jede Eskalation. „Unser Verein darf auch diese Aussagen von Herrn Windhorst zur Zeit nur zur Kenntnis nehmen. Wir haben in dieser sportlich schwierigen Situation Trainer und Mannschaft versprochen, diese Dinge in den kommenden entscheidenden Wochen, nicht in der Öffentlichkeit zu diskutieren“, sagte er auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Damit gewann Gegenbauer erstmal Zeit.
Allerdings kündigte der 71-Jährige eine möglicherweise brisante Stellungnahme zum Verhältnis zu Windhorst zu einem späteren Zeitpunkt an. „Sobald der Klassenerhalt endgültig gesichert ist, werde ich unsere Sichtweise deutlich darlegen und wir werden uns faktisch über den Verlauf und das Umfeld des Investments bei Hertha BSC äußern“, sagte Gegenbauer. Die Berliner Tragik-Komödie um Macht und Einfluss wird also weitergehen.
Das Timing für seine Worte sei nach dem Sieg gegen Hoffenheim ungünstig, gestand auch Windhorst, der sich auf Geschäftsreise in London noch so sehr über den ersten Sieg seit Dezember gefreut habe. Damals vor gut drei Monaten, so die Erinnerung, habe er noch in der Karibik gejubelt. Im Berliner Westend schien am Sonntag zwar auch die Sonne, die gute Laune nach dem sportlich so nicht für möglich gehaltenen Umschwung war jedenfalls erstmal wieder weg.
Magath: „So viele Spiele wie möglich gewinnen“
Bestmöglich hielten sich die Spieler an die kürzlich von Bobic geäußerte Vermutung und konsumierten keine Medien. Magath war bei den Windhorst-Worten schon nicht mehr zum Bild-Talk zugeschaltet. „Ich bin seit einer Woche da und muss mich im Club erstmal orientieren. Für uns zählt nur noch acht Mal Fußball spielen, alles andere ist nicht mein Thema. Ich kümmere mich darum, bis zum 14. Mai so viele Spiele wie möglich zu gewinnen“, sagte er später bei Sky zu der neuerlichen Unruhe.
Noch mit leicht verschnupfter Stimme hatte der 68-Jährige zuvor die nächsten Wegmarken im Abstiegskampf beschrieben. Am Donnerstag will er - so wieder freigetestet - auf dem Trainingsplatz stehen. Vor dem folgenden Leverkusen-Spiel am 2. April könne es in ein Trainingslager gehen. Magath-Methoden, eben.
Durch den Windhorst-Wirbel gerieten nicht nur die drei Standard-Tore von Niklas Stark, Ishak Belfodil und Lucas Tousart, sondern auch das bemerkenswerte Debüt von Assistent Fotheringham in den Hintergrund. Diesem gebühre der größere Verdienst für den Sieg, meinte Magath. Mit einem bemerkenswerten Auftritt während des Spiels und bei der Pressekonferenz hatte der Schotte aufhorchen lassen. „Wir sind Hertha Berlin. Wir sind die Hauptstadt von Deutschland“, beschrieb er das Selbstverständnis, das die Mannschaft im Saison-Endspurt demonstrieren müsse. Dieser Satz dürfte Windhorst gefallen haben.
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