Berlin (dpa)
Windhorst vs Gegenbauer: Machtkampf um Einfluss und Geld
Bei Hertha BSC könnte man nach schweren Monaten zumindest mal durchatmen. Endlich wieder ein Sieg. Doch der Machtkampf zwischen Investor Lars Windhorst und Präsident Werner Gegenbauer tobt öffentlich.
Mitten im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga leistet sich Hertha BSC eine Schmierenkomödie: Investor Lars Windhorst (45) gegen Präsident Werner Gegenbauer (71). Dieses Duell zweier in der Geschäftswelt auf unterschiedliche Weise erfolgreichen Unternehmer birgt viel Brisanz.
Windhorst sieht sein in der Bundesliga-Historie einmaliges Investment von 375 Millionen Euro als verbrannt an und ruft zum Sturz von Gegenbauer auf. Dessen Präsidium macht er für Misswirtschaft und Klüngelei verantwortlich. Zum Showdown soll es spätestens bei der Mitgliederversammlung der Berliner im Mai kommen - dies sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Machtkampf.
Warum attackiert Windhorst Gegenbauer so massiv?
Windhorst beteuert seine Liebe zu Hertha und Berlin. Aber in gefühlt jedem zweiten Satz spricht er von seinem „Investment“. Natürlich muss der Unternehmer sein Geld und das der Anleger, die ihm beim großen Fußball-Projekt vertrauten, im Blick haben. Dem 45-Jährigen ist die Enttäuschung anzumerken, dass er entgegen den Erwartungen von Gegenbauer und dessen Gefolgsleuten nicht in operative Entscheidungen eingebunden wurde. „Ich habe darauf gesetzt, dass man mit der Führung und dem Präsidenten an einem Strang ziehen kann, auch trotz der 50+1-Regelung. Das hat bislang nicht funktioniert“, sagte er bei seinem Frontalangriff beim TV-Sender Bild.
Hilflos musste er zusehen, wie Teile seines Geldes für andere Zwecke verwendet wurden, als er es sich für den sportlichen Aufschwung des Big-City-Projekts vorgestellt hatte. 375 Millionen reichten unter der Führung Gegenbauers, die mit Stagnation und Mittelmäßigkeit verbunden wird, nicht zum sportlichen Aufschwung.
Was ist dran an Windhorsts „Klüngelei“-Vorwürfen?
Präzisiert werden die Vorwürfe von Windhorst noch nicht. Es gibt aber offenbar grundsätzliche Mentalitätsunterschiede zwischen seit Jahren gepflegter Vereinspolitik mit Gegenbauer als Club-Boss seit 2008 und den Glamour-Vorstellungen von Windhorst. „Es ist jetzt höchste Eisenbahn, dass wir das Ruder rumreißen. Ich setzte auf die positiven Effekte eines Neustarts und diesen Neustart brauchen wir auch an der Spitze“, sagte Windhorst.
Gegenbauers Holding betreibt auch Geschäfte, die den Hertha-Alltag tangieren. Grün- und Rasenpflege im Olympiastadion führt die Firma Penta durch, die zur Gegenbauer Gruppe gehört. Die Reinigung im Stadion, das die Hertha für ihre Spiele anmietet, übernimmt die Gegenbauer Services GmbH. Beide „Dienstleistungen wurden offiziell ausgeschrieben“, wie die Olympiastadion GmbH auf Anfrage mitteilte. Die Hertha äußert sich zu geschäftlichen Beziehungen nicht.
Was ist Gegenbauers Strategie im Machtkampf?
Gegenbauer hat schon länger Gegenwind durch die Hertha-Mitglieder. Nur 54 Prozent stimmten bei der letzten Wahl für ihn. Jetzt setzt er einerseits auf Deeskalation, reagiert auf die heftigen Vorwürfe nicht im Detail. Gleichzeitig meckert in Axel Kruse eine Hertha-Ikone aus dem Gegenbauer-Lager öffentlich gegen Windhorst und verunglimpft ihn als „doof“. Viel hängt vom sportlichen Abschneiden ab. Gelingt die Rettung mit Trainer Felix Magath, ist auch Gegenbauers Position im Mai wieder etwas gefestigter. Die Andeutung sich dann „faktisch über den Verlauf und das Umfeld des Investments bei Hertha BSC“ zu äußern, impliziert, dass er Argumente gegen Windhorst in der Hinterhand hat.
Was passierte mit den Windhorst-Millionen?
Windhorst beklagt, dass er das selbst nicht genau weiß. Als gesichert gilt, dass dreistellige Millionensummen in die wenig erfolgreichen Transfers im großen Shopping-Winter 2019 gingen. Auch für Corona-Löcher wurde Geld verwendet und für die Schuldentilgung. Gerade letzteres wurmt Windhorst ungemein. Kritiker halten ihm vor, dass er durch die Einbindung in Gremien wie den Hertha-Beirat eigentlich informiert sein könnte. In den Aufsichtsrat darf er vier Mitglieder entsenden. Die Berufungen von Jürgen Klinsmann und Jens Lehmann als dortige Vertreter erwiesen sich als unglückliche Wahl.
Kann Windhorst sein Geld wieder abziehen?
Natürlich könnte Windhorst seine Anteile von rund 66 Prozent an der Hertha KGaA wieder veräußern, wenn er einen Abnehmer findet. 375 Millionen Euro würde er dafür aber bei weitem nicht mehr realisieren können. Der Verlust wäre in den Büchern. Der Big City Club hätte sich für ihn als Prestige- und Profilierungsprojekt erledigt.
Was würde ein Windhorst-Ausstieg bedeuten?
Unklar ist, welches Mitspracherecht die Hertha beim Verkauf der Anteile hätte. Ein neuer Investor müsste sich auch an die Spielregeln des 50+1 halten, hätte also auch kein offizielles Mitspracherecht bei operativen Entscheidungen. Für die Hertha ist natürlich wichtig, wer dem Verein frisches Geld geben kann und für welche (Fußball)-Werte er steht. Windhorst hatte in der Vergangenheit mehrfach gesagt, dass bei seinem Investment bei der Hertha der „Point of no Return“ erreicht, ein Ausstieg für ihn also kein Thema sei. Neues Geld, das Hertha sicher helfen würde, versprach er auch, allerdings nicht unter Gegenbauers Führung.
Warum will Windhorst nicht selbst Präsident werden?
Windhorst ist auf der ganzen Welt zu Hause. In der Schweiz und London ist er oft. Geschäftlich grüßt er auch mal von der Côte d'Azur. Im Karibik-Urlaub posierte er mit Kumpel Michael Douglas. Dieses Leben ist kaum vereinbar mit der Führung eines selbst in der Hauptstadt sehr lokal verorteten Vereins. Es ist also gar nicht Windhorsts Interesse, sich in dieser Form in die Gremienarbeit des Clubs zu stürzen. So ist auch sein Aufruf zu verstehen, die kritischen Mitglieder sollten selbst einen potenten Kandidaten positionieren.
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