Moskau (dpa)

Außer Gefecht: Russland verliert wichtiges Kriegsschiff

Andreas Stein und Hannah Wagner, dpa
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Von Andreas Stein und Hannah Wagner, dpa
| 14.04.2022 09:51 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Das russische Kriegsschiff ist nach Angaben aus Kiew von einer ukrainischen Anti-Schiffsrakete getroffen worden. Foto: picture alliance/dpa/Archiv
Das russische Kriegsschiff ist nach Angaben aus Kiew von einer ukrainischen Anti-Schiffsrakete getroffen worden. Foto: picture alliance/dpa/Archiv
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Die „Moskwa“ ist der Stolz der russischen Schwarzmeerflotte - nun wurde es außer Gefecht gesetzt. Wie, darüber wird noch gestritten. Schon jetzt wird jedoch klar: Der Seekrieg wird für die Russen schwerer.

Russland muss in seinem Krieg gegen die Ukraine künftig auf seinen wichtigsten Raketenkreuzer im Schwarzen Meer verzichten.

Um 1:05 Uhr Ortszeit in der Nacht zum Donnerstag morst das Kriegsschiff „Moskwa“ der Schwarzmeerflotte SOS: Das Schiff sei nach einer Explosion im Munitionslager schwer beschädigt, die Crew evakuiert, heißt es im Funkspruch. Die Ursachen würden untersucht. Auch Kremlchef Wladimir Putin wird über den Vorfall informiert. Die Ukraine behauptet, den Kreuzer mit zwei Raketen getroffen und versenkt zu haben. Aber unklar bleibt, was genau passiert ist.

Pentagon: Ursache für Brand unklar

Das US-Verteidigungsministerium hält sich bislang betont zurück mit einer Einschätzung zur Ursache. Ein hochrangiger Verteidigungsbeamter sagte am Donnerstag in Washington, bislang lasse sich nicht mit Klarheit sagen, was den Schaden auf dem Raketenkreuzer verursacht habe. Man gehe davon aus, dass sich das Schiff 60 bis 65 nautische Meilen südlich der ukrainischen Stadt Odessa befunden habe, als es zu einer Explosion gekommen sei. „Im Moment können wir nicht definitiv sagen, was diese Explosion und das anschließende Feuer verursacht hat.“ Es könne auf einen Raketenangriff zurückzuführen sein, es könne aber auch andere Gründe geben.

Die Gefahr von Bränden und Explosionen auf derartigen Schiffen sei generell groß, da diese brennbares und explosives Material an Bord hätten, betonte er. Daher gelte es, vorsichtig zu sein mit Schlussfolgerungen.

Im morgendlichen Briefing verlor der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, kein Wort darüber. Er ist traditionell für frohe Botschaften bei der Schlacht gegen die Ukraine zuständig. Die ukrainischen Offiziellen zünden derweil ein Feuerwerk an Erfolgsmeldungen.

Widersprüchliche Angaben

Laut dem Chef der Gebietsverwaltung von Odessa, Maxym Martschenko, ist der russische Kreuzer von zwei ukrainischen Schiffsraketen des Typs „Neptun“ getroffen und schwer beschädigt worden. Doch die Angaben sind widersprüchlich. Einmal heißt es, dass Schiff sei vor der von Russland eroberten Schlangeninsel getroffen worden, ein anderes Mal soll es in der Bucht von Sewastopol auf der annektierten Halbinsel Krim getroffen worden sein. Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch erklärt das russische Kriegsschiff sogar für gesunken - steht mit dieser Behauptung allerdings ziemlich alleine da.

Dennoch ist der Brand auf dem Schiff für die Ukraine ein psychologischer Erfolg, handelt es sich doch um jenen Kreuzer, der von dem ukrainischen Marineinfanteristen Roman Hrybow aufgefordert wurde: „Russisches Kriegsschiff, verpiss dich!“ Inzwischen ist dieser Spruch zu einem geflügelten Wort in der Ukraine geworden. Die „Moskwa“ soll unter anderem Ende Februar an der Eroberung der Schlangeninsel knapp 35 Kilometer östlich der Donaumündung beteiligt gewesen sein.

Russland räumt schwere Schäden ein

Die russische Militärführung dementiert zwar die Versenkung, räumt aber schwere Schäden ein. Der Brand mit ungeklärter Ursache sei inzwischen eingedämmt worden, die „Moskwa“ weiter seetüchtig und die Raketendecks unbeschädigt. Nun solle das Schiff in den nächstgelegenen Hafen abgeschleppt werden. Ähnlich sieht auch das US-Verteidigungsministerium die Lage. Pentagon-Sprecher John Kirby sagt in Washington, das Schiff sei wohl noch in der Lage, sich selbst fortzubewegen. Vermutlich tue es genau dies und fahre in Richtung Sewastopol, um dort repariert zu werden.

In jedem Fall wiegt der Verlust für die russischen Streitkräfte schwer: Die 1979 zu Wasser gelassene und 1983 in Dienst gestellte „Moskwa“ ist das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, mehr als 180 Meter lang und mit einer Besatzung von mehr als 500 Mann. Zudem ist der Kreuzer erst vor wenigen Jahren runderneuert worden und verfügt über eine gewaltige Feuerkraft und eigentlich auch modernste Luft- und Raketenabwehrsysteme. Eine Reparatur dürfte Monate, wenn nicht Jahre dauern.

Für die russische Marine ist ein solches Kriegsschiff in der jetzigen Lage enorm wichtig. In allen Seestreitkräften werden die Abläufe bei möglichen Treffern oder auch bei Unglücken an Bord genau geübt. Dabei gilt: Das „äußere Gefecht“ ist der Kampf mit Waffensystemen des Schiffes gegen den Gegner. Das „innere Gefecht“ gilt dem Umgang mit Treffern im eigenen Schiff, wenn Wassereinbrüche eingedämmt und Feuer gelöscht werden müssen. Wird evakuiert, gibt die Besatzung das Schiff auf.

Bereits zweites beschädigtes Schiff

Es ist das zweite größere russische Schiff, das im Ukrainekrieg zumindest stark beschädigt wurde: Vor knapp drei Wochen war ein Landungsschiff der russischen Kriegsmarine im Hafen der besetzten südukrainischen Stadt Berdjansk infolge eines Raketenangriffs versenkt worden.

Für die weitere Kriegsführung der Russen bedeutet dies durchaus Probleme. Denn der russischen Flotte geht nicht nur jede Menge Feuerkraft verloren. Ihre Kriegsschiffe, die bislang ungehindert in ukrainischen Gewässern navigierten und von dort Landziele unter Beschuss nahmen, müssen sich zudem darauf einstellen, zunehmend zum Ziel von Küstenbatterien zu werden.

Kiew hat sich neben den im eigenen Land hergestellten „Neptun“-Raketen unlängst auch Antischiffsraketen aus Großbritannien gesichert. Um diesen Geschossen zu entgehen, müssen die russischen Kriegsschiffe wohl den Abstand zur Küste vergrößern. Landemanöver wie in Odessa, über die seit Wochen spekuliert wird, werden damit deutlich unwahrscheinlicher.

© dpa-infocom, dpa:220414-99-915661/10

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