Berlin (dpa)
Krach um mehr Geld für den Nahverkehr und ums 9-Euro-Ticket
Vom 1. Juni an soll das 9-Euro-Monatsticket im öffentlichen Nahverkehr gelten. Der Bund will Einnahmeausfälle ausgleichen. Über ein Finanzpaket gibt es aber Streit.
Zwischen Bund und Ländern, aber auch innerhalb der Ampel-Koalition gibt es Krach um mehr Geld für den Nahverkehr - die Mittel sind auch zur Umsetzung des geplanten 9-Euro-Monatstickets geplant.
Aus den Reihen der Grünen kam heftige Kritik an einem Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Der Bund will demnach in diesem Jahr Mittel für die Länder zur Finanzierung des Nahverkehrs um 3,7 Milliarden Euro erhöhen. Damit sollen auch die Kosten für das 9-Euro-Monatsticket gezahlt werden - von Juni bis Ende August sollen Fahrgäste im Nah-und Regionalverkehr bundesweit für 9 Euro pro Monat fahren.
Länder fordern mehr Geld
Weitere Finanzforderungen der Länder hat der Bund aber bisher nicht berücksichtigt, wie aus einem Entwurf aus dem Verkehrsministerium zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes hervorgeht. Dieser lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Die Länder fordern mehr Geld. Sie müssen den Gesetzesänderungen zustimmen.
Geplant sind laut Entwurf 1,2 Milliarden Euro für den Ausgleich pandemiebedingter finanzieller Nachteile. Damit soll sichergestellt werden, dass das Angebot bei Bussen und Bahnen aufrechterhalten werden kann. Die Länder hatten für diesen Rettungsschirm aber 1,6 Milliarden Euro vom Bund gefordert.
Dazu kommen laut Entwurf 2,5 Milliarden Euro für „weitere Maßnahmen“ einschließlich der Umsetzung des 9-Euro-Monatstickets. Durch das günstige Ticket entstehen Einnahmeausfälle bei Verkehrsunternehmen.
Wie die dpa erfahren hatte, wollen die Länder vom Bund eine Summe von zusätzlich 1,5 Milliarden Euro, um etwa gestiegene Energiepreise für die Verkehrsunternehmen kompensieren zu können. Dieses Geld ist im Entwurf des Bundes allerdings nicht enthalten.
„Der aktuelle Referentenentwurf zum Regionalisierungsgesetz erstaunt mich sehr“, sagte Stefan Gelbhaar, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, der dpa. Für die Umsetzung des „9-für-90-Tickets“ seien von Verkehrsministerium, Bundesländern und Verkehrsunternehmen übereinstimmend 2,5 Milliarden Euro veranschlagt worden. „Nun soll diese Summe neben der Umsetzung für das Ticket auch für gestiegene Mehrausgaben bei Energie und Personal eingesetzt werden. Folglich würden für die Umsetzung des 9-für-90-Tickets dann keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen. Das ist irritierend, da so die Bus- und Bahnunternehmen die Mehrkosten bezahlen müssten.“ Dies müsse verhindert werden. Verkehrs- und Finanzministerium müssten rasch eine ausreichende Finanzierung sicherstellen.
Verkehrsunternehmen leiden unter Pandemiefolgen
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte der dpa, es sei ihm „unbegreiflich“, dass Wissing nicht für mehr Finanzmittel zum Ausbau des ÖPNV kämpfe. „Die Verkehrsunternehmen leiden noch immer massiv unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und den drastisch zurückgegangenen Fahrgastzahlen. Viele kleine und mittlere Busbetriebe stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Deshalb ist ein ausreichend großer Rettungsschirm im dritten Jahr der Pandemie dringend notwendig. Die Kosten für den Rettungsschirm tragen Bund und Länder jeweils zur Hälfte.“ Für ein besseres Angebot im öffentlichen Nahverkehr und im regionalen Bahnverkehr müssten die Regionalisierungsmittel dringend erhöht werden.
In einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zum 9-Euro-Ticket war ein Fahrplan verabredet worden: Demnach sollen Bundestag und Bundesrat den notwendigen gesetzlichen Änderungen am 19. und 20. Mai zustimmen, damit das 9-Euro-Monatsticket ab dem 1. Juni starten kann.
Die Frage ist, ob die Länder im Bundesrat dem Regionalisierungsgesetz wegen des Streits um höhere Finanzmittel nicht zustimmen - und damit auch das günstige ÖPNV-Ticket blockieren würden.
Auf Basis des Regionalisierungsgesetzes zahlt der Bund Regionalisierungsmittel - das ist Geld, das der Bund den Bundesländern jährlich zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Verfügung stellt.
Bei den pandemiebedingten Einnahmeausfällen im ÖPNV beteiligt sich der Bund jeweils zur Hälfte, die andere Hälfte tragen die Länder. In den Jahren 2020 und 2021 hatte der Bund laut Entwurf bereits zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
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