Berlin (dpa)
Merz: Gemeinsamer Antrag zu Waffenlieferungen
FDP und Grüne sind für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine für den Kampf gegen Russland, anders als Kanzler Olaf Scholz. Doch Pläne der Union schweißen die Vertreter der Ampel-Koalition zusammen.
Spitzenpolitiker von SPD, FDP und Grünen haben sich im Streit über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine bemüht, trotz anhaltender Differenzen in der Sache den Eindruck eines Zerwürfnisses der Ampel-Koalition zu zerstreuen.
Doch Unionsfraktionschef Friedrich Merz machte weiter Druck und sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Wir bieten der Koalition einen gemeinsamen Entschließungsantrag an, mit dem Klarheit geschaffen wird, welche Waffen Deutschland bereit ist zu liefern.“
Die Zeitung zitiert aus dem Antragsentwurf der Union, Deutschland müsse „sich jetzt seinen Verbündeten in EU und Nato anschließen und einen entschlossenen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Selbstverteidigungskräfte leisten - auch und gerade mit schweren Waffen“. Die deutschen Waffenlieferungen müssten „in Quantität und Qualität unverzüglich und spürbar“ intensiviert werden. Falls es zu keiner Verständigung kommt, will die Union den Antrag dem Bericht zufolge allein in den Bundestag einbringen.
Ampel: Parteitaktische Spielchen
SPD-Chef Lars Klingbeil, der FDP-Vorsitzende Christian Lindner und der als klarer Befürworter geltende Grünen-Politiker Anton Hofreiter warfen der Union parteitaktische Spielchen vor, weil sie solche Lieferungen notfalls per Antrag im Bundestag erzwingen will.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird seit Wochen Zögerlichkeit und Zurückhaltung beim Thema Waffenlieferungen vorgeworfen - auch aus der eigenen Koalition. Beim Wahlkampfauftakt der NRW-CDU vor der Landtagswahl in drei Wochen forderte Merz von Scholz am Samstag bereits eine Regierungserklärung zu seinem Russland-Kurs. Der „Bild am Sonntag“ sagte er, Deutschland sei im Ausland zunehmend isoliert. Scholz werde „nicht als jemand wahrgenommen, der kraftvoll und strategisch denkend führt. Er zaudert, er zögert, und er nimmt zu viel Rücksicht auf das Russland-Netzwerk der SPD“.
Scholz hatte es im „Spiegel“ seine oberste Priorität genannt, ein Übergreifen des Krieges auf die Nato zu vermeiden. „Es darf keinen Atomkrieg geben“, sagte er. „Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt.“ Mit Blick auf die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine wird darüber diskutiert, ob Nato-Länder deswegen von Russland als Kriegspartei wahrgenommen werden könnten.
Merz fordert Regierungserklärung
Merz, der auch CDU-Chef ist, sagte in Düsseldorf, Scholz müsse in einer Regierungserklärung im Bundestag sagen, wie er die Lage einschätze und mit der Opposition über den Weg diskutieren. Tue er das nicht, habe die Unionsfraktion ihren Antrag zu Waffenlieferungen vorbereitet, um damit ihre Vorstellungen ins Parlament einzubringen. Es gebe im Bundestag mit Union, FDP und Grünen eine Mehrheit für die Lieferung schwerer Waffen. „Wir haben eine überforderte Regierung“, kritisierte Merz.
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte dem ARD-Hauptstadtstudio am Sonntag: „Wir werden, sofern ein Antrag der CDU kommt, unseren eigenen Antrag anbieten, und dann werden wir darüber abstimmen. Wir werden mit Sicherheit nicht zulassen, dass Friedrich Merz glaubt, mit einem solchen politischen Move diese Ampel zu sprengen. Das wird ihm nicht gelingen.“
Der SPD-Vorsitzende Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich glaube, dass dieser Krawallkurs der Union schaden wird.“ Die suche ihre Rolle in der Opposition. „In der Ukraine herrscht Krieg, dort sterben Menschen. Diesen grausamen Krieg sollte man nicht für parteitaktische Spiele nutzen. Ich hoffe, diejenigen, die das auch so sehen, setzen sich in der Union durch.“ In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ widersprach Klingbeil am Sonntag dem Eindruck, dass sich die Bundesregierung wegen des Themas Waffenlieferungen in einer Krise befinde. „Da gibt es keine Koalitionskrise. Das wird man in der kommenden Woche sehen, dass die Regierung geschlossen steht.“
FDP spricht sich für Waffenlieferungen aus
FDP-Chef Lindner sagte beim FDP-Parteitag in Berlin, zu dem er wegen einer Corona-Infektion aus Washington zugeschaltet wurde: „Der Bundeskanzler hat das Vertrauen der FDP und auch ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag.“ Klar sei aber auch: „Die Ukraine benötigt militärische Hilfe und schwere Waffen.“ Der Union warf er ein „gefährliches Spiel“ vor. „In Zeiten von Krieg in Europa habe ich für diese Form parteipolitischer Manöver keinerlei Verständnis.“
In einem Beschluss sprach sich der FDP-Parteitag für die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine aus. Das Land müsse bei der Abwehr des russischen Angriffskrieges schnell und wirksam unterstützt werden, heißt es darin. „Dazu gehören auch die Lieferung schwerer Waffen und die schnelle Bereitstellung von Rüstungsgütern durch die deutsche Industrie, für die Deutschland wie angekündigt die Finanzierung übernimmt.“
Merz drohte in der „Bild am Sonntag“ erneut damit, dem geplanten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nicht zuzustimmen. Die Union lasse sich „nicht von der Bundesregierung ausgehandelte und vorgefertigte Ergebnisse auf den Tisch legen, denen wir dann einfach nur noch zustimmen sollen. Es gibt hier keinen Freifahrtschein für die Bundesregierung“.
Der Grünen-Politiker Hofreiter warf Scholz in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Zögerlichkeit vor. Dessen Stil verglich er mit dem von Scholz' Amtsvorgängerin Angela Merkel (CDU). „Scholz ist Merkel sehr ähnlich, das ist das Problem.“ Eine Gefahr für die Ampel-Koalition sieht Hofreiter demnach aber nicht. Er sehe vielmehr „ein Ringen in der Koalition in einer äußerst schwierigen Lage um die richtigen Handlungen“. Dem Nachrichtenportal „t-online“ sagte er: „Meine nüchterne Schlussfolgerung ist schlicht, dass die Strategie von Olaf Scholz nicht funktioniert. Und deshalb kritisiere ich sie.“
Den geplanten Unionsantrag für Waffenlieferungen kritisierte auch Hofreiter: „Ich halte überhaupt nichts davon, solche Sachen für kleinteilige parteipolitische Geländegewinne zu nutzen.“
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