Ukraine-Hilfe Ein Mönch, eine Stadt in Polen und Hilfsgüter aus Ostfriesland
Die polnische Stadt Piekary Śląskie ist ein Knotenpunkt für die Ukraine-Hilfe. Die Hilfsorganisation „Ein Herz für Ostfriesland“ lieferte jetzt Elektroartikel und Lebensmittel.
Ostfriesland/Piekary Śląskie - Dass der Krieg nicht allzu fern war, wurde uns erst auf der Rückfahrt richtig bewusst. Auf der Autobahn zwischen Katowice und Breslau kam uns ein mehrere Kilometer langer Konvoi entgegen. Es waren Transporter des US-Militärs. Dutzende von Containern, offenbar für den ukrainischen Kampf gegen die Invasion der russischen Armee bestimmt.
Bei unserem Transport ging es demgegenüber ausschließlich um zivile Hilfe. An Bord hatten wir Elektronik, Lebensmittel und Hygieneartikel im Wert von rund 20.000 Euro. Alles bestimmt für die Menschen in vom Krieg betroffenen Gebieten in der Ukraine: Batterien, Powerbanks, Taschenlampen und Funkgeräte für die 368.000-Einwohner-Stadt Winnyzja, die mit Stromausfällen zu kämpfen hat, sowie Dinge wie Speiseöl, Konserven, Nudeln, Seife, Zahnpasta oder Damenbinden für Berdytschiw mit seinen 87.000 Einwohnern. Unter anderem wird damit ein Krankenhaus versorgt.
Der Zielort war 1000 Kilometer und zwölf Fahrtstunden entfernt
Bezahlt wurden die Hilfsgüter vom Hilfswerk „Ein Herz für Ostfriesland“ der Zeitungsgruppe Ostfriesland. Fast 400.000 Euro wurden bislang von Leserinnen und Lesern gespendet. Zahlreiche Projekte für Geflüchtete und Menschen in der Ukraine wurden bereits unterstützt. Jetzt brachen erstmals zwei Mitglieder des Hilfswerks zu einer Fahrt auf: Uwe Boden, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH und Leiter der Geschäftskundenabteilung im Verlag, und Stephan Schmidt, Chefredakteur der Ostfriesischen Nachrichten und Mitglied des Beirats. Startpunkt des Transports war Leer, Zielort die rund 1000 Kilometer und zwölf Fahrtstunden entfernte polnische Stadt Piekary Śląskie, die vor den Toren der Großstadt Katowice liegt.
In Piekary Śląskie hat sich ein Knotenpunkt für die Ukraine-Hilfe gebildet. Lieferungen aus Deutschland und den Niederlanden treffen dort regelmäßig ein. Darunter auch Transporte des Jugend- und Kulturzentrums Phönix in Moormerland, die ebenfalls von „Ein Herz für Ostfriesland“ finanziell unterstützt wurden.
Ein Stadtratsvorsitzender und seine österreichische Frau kümmern sich
Zahlreiche Helfer kümmern sich in Piekary Śląskie um die Annahme von Spenden. So etwa Agata Kowalczyk. Die Rentnerin ist so etwas wie die gute Seele vor Ort. Wenn Flüchtlingsfamilien ankommen, ist sie stets zur Stelle. Unter den Helfern sind auch der Vorsitzende des Stadtrats, Tomasz genannt Tomek Wesołowski, und seine österreichische Frau Birgit Wesołowski-Schwingenschlögel. Sie waren in Piekary Śląskie unsere Kontaktpersonen. Dank ihnen konnten wir die Hilfsgüter aus Ostfriesland problemlos in Polen abliefern und auf den Weg in die Ukraine schicken.
Die Hilfsorganisation
Das Hilfswerk „Ein Herz für Ostfriesland“ der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO), zu der die Ostfriesischen Nachrichten, die Ostfriesen-Zeitung und der Geneal-Anzeiger gehören, wurde Ende 2020 gegründet. Seitdem wurde schon für verschiedene Organisationen gesammelt. Es ist eine gemeinnützige GmbH. Alle gespendeten Gelder kommen dem Verwendungszweck zu 100 Prozent zugute. Derzeit sammelt die Organisation Spenden für die Kriegsflüchtlinge und Menschen in der Ukraine. Spenden sind möglich unter der Kontoverbindung: Raiffeisen-Volksbank eG, Aurich, IBAN DE 94 2856 2297 0414 5372 02. Weitere Informationen gibt es im Internet unter einherzfuerostfriesland.de.
Tomek und Birgit lernten sich in einem Auslandsprogramm für Studenten in Finnland kennen. Heute unterrichtet die Österreicherin in Piekary Śląskie an einer Schule Deutsch. Er lehrt an der dortigen Universität und ist Kopf des Stadtrats. Er spricht fließend Deutsch, genau wie die 16-jährige Tochter Laura, die sich auch für die Flüchtlinge ehrenamtlich engagiert. Sie ist Pfadfinderin und half unter anderem in Przemysl an der ukrainischen Grenze als Dolmetscherin für deutschsprachige Flüchtlingshelfer.
„Man kann dort nicht mehr einfach so hinfahren“
Hilfsgüter in die Ukraine zu bringen, sei schwierig, sagt Tomek Wesołowski. „Man kann dort nicht mehr einfach so hinfahren, außer Priester und das Rote Kreuz.“ Daher brauche man entsprechende Kontaktpersonen. Im Fall von Piekary Śląskie ist das etwa Vater Krzysztof. Der Mönch ist ein Karmeliter, ein Mitglied des Ordens der Brüder der allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel. Der polnische Geistliche hat verwandtschaftliche Verbindungen nach Piekary Śląskie und war viele Jahre in der Ukraine. Er kennt sich dort also aus. Vater Krzysztof bringt die Hilfsgüter von einer Sammelstelle in Krakau in das vom Krieg heimgesuchte Land – auch die Waren des Transports von „Ein Herz für Ostfriesland“.
Die Freude der Helfer in Piekary Śląskie über die Hilfslieferung aus dem fernen Ostfriesland war sichtbar. In Windeseile wurden die Waren ausgeladen und in einen Wohnblock gebracht, den die Stadt für die Ukraine-Hilfe und Flüchtlinge zur Verfügung gestellt hat. Alle packten mit an, es wurde gelacht, fotografiert. Die Begeisterung dieser Menschen war ansteckend.
Die Ukraine ist für Polen nicht irgendein Nachbarland
„Die Ukraine ist nicht irgendein Nachbarland für uns“, sagt Tomek Wesołowski. „Unsere Region und Gebiete der Ukraine gehörten einmal sogar zusammen.“ Er bezieht sich auf Galizien, eine historische Landschaft, die Südpolen und die Westukraine umfasste. „Ich unterrichte an der Universität viele ukrainische Studenten. Das Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine ist nicht erst durch den Krieg so eng geworden.“
Eine enge Verbindung mit der Ukraine spüren aber nicht nur die Menschen in Piekary Śląskie. Es ist auch so in Ostfriesland. Anders ist es kaum erklärbar, dass die Spendenbereitschaft bei uns in der Region so gewaltig ist. Die Spenden werden gebraucht – und sie kommen an. Davon konnten wir uns nicht zuletzt jetzt selbst überzeugen.
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