Ein Herz für Ostfriesland 10.000 Euro für Lebensmittel und ein bisschen Normalität
Eine ehemalige Freiwillige von Peer-Leader International in Ostrhauderfehn organisiert in ihrer ukrainischen Heimat Projekte für Vertriebene. Hilfe kommt aus Ostfriesland.
Ostrhauderfehn/Verchovyna - Der Krieg in der Ukraine scheint in Ostrhauderfehn weit entfernt und doch ist er immer wieder ganz konkret Thema beim Verein Peer-Leader International (PLI). Denn Mariia Makynichuk und Sonya Martynchuk sind zu Gast. Die beiden jungen Frauen sind Teil einer Initiative in ihrer Heimatstadt Verchovyna im Westen der Ukraine, die sich um Flüchtlinge und Vertriebene kümmert. Die eigentlich für Tourismus bekannte Region ist inzwischen nämlich zum Zufluchtsort für viele Menschen aus umkämpften Gebieten in der Ukraine geworden. Denn derzeit ist es dort ruhig.
Eigentlich leben rund 30.000 Menschen in dem Landkreis, hinzu kommen derzeit zwischen 6.000 und 10.000 registrierte, innerhalb der Ukraine vertriebene Menschen. „Aber die reale Anzahl ist viel höher“, sagt Mariia Makynichuk, die 2016 als Freiwillige bei Peer-Leader in Ostrhauderfehn aktiv war. So entstand ein enger Kontakt zu dem internationalen Netzwerk, der bereits zu Anfang des Krieges dazu beitrug, dass Harald Kleem, 2. Beisitzer von PLI, fragte, was man tun könne. Und Hilfe war nötig: gebraucht wurden Lebensmittel. „Die Regale in den Geschäften waren leer, weil plötzlich so viele Menschen da waren“, erinnert sich Makynichuk. Durch den Kontakt mit Kleem erhielt die Initiative vor Ort 10.000 Euro von „Ein Herz für Ostfriesland“ (EHFO), dem gemeinnützigen Hilfswerk von Ostfriesen-Zeitung, Ostfriesischen Nachrichten und General-Anzeiger.
Viel mehr als Sachspenden
Doch es für Lebensmittel auszugeben, war zunächst gar nicht so einfach. „Niemand wollte mir mehr als zwei Kilo an Mehl, Buchweizen oder Nudeln verkaufen, aber ich brauchte 100 Kilo“, sagt sie. Letztendlich schaffte sie es aus dem Umkreis genügend Nahrungsmittel zu besorgen und verteilt sie an Menschen, die teilweise nichts mehr haben. „Ohne dieses Geld hätten wir ihnen nicht helfen können“, so Makynichuk.
Doch für viele ist es nicht leicht, die Hilfe anzunehmen. „Einige sind zu schüchtern, um Hilfe zu bitten, und es fällt ihnen auch schwer, sich selbst als Vertrieben zu sehen“, hat sie beobachtet. Die meisten von ihnen benötigen mehr als Essen, Kleidung oder eine Wohnung. „Sie haben alles verloren. Und wir haben uns gedacht, was haben Sozialarbeiter hier in Deutschland gemacht, als Flüchtlinge gekommen sind und haben nachgefragt“, sagt Harald Kleem. Aus diesen Gesprächen sei schnell deutlich geworden: Beschäftigung ist wichtig. So entstand die Idee zum Shelter (Englisch: Zufluchtsort) Verkhovyna.
Mithilfe der RTL-Stiftung können dort nun regelmäßig Vertriebene ein bisschen Alltag bekommen. „Es geht uns nicht nur darum, abzulenken oder psychischen Stress von den Menschen zu nehmen, sondern unser Ziel ist es auch, Bekanntschaften, Kommunikation und Integration zwischen Vertriebenen und Menschen aus Verkhovyna herzustellen“, sagt Makynichuk. Deshalb werden im Shelter kreative Kurse für Kinder, Yogastunden, Filmvorführungen, Büchertausch und Englisch- sowie Polnisch-Unterricht angeboten. Darüber hinaus gibt es rechtliche Beratung, psychologische Assistenz und ein Angebot, das sich „kulturelle Integration in die Gesellschaft“ nennt, bei dem es um Kommunikation geht. Rund 500 Familien helfen Makynichuk, Martynchuk und ihre Mitstreitern mit ihren Projekten, neben der Grundversorgung eben auch mit der Möglichkeit etwas für sich zu tun. Durch die Angebote werde den Flüchtlingen ein kleines Stück Struktur und Alltag gegeben. Einige der Angebote würden selbst von ihnen geleitet. Ein besonderer Höhepunkt ist die sogenannte Waldschule – ein Angebot, das an den Wochenenden gemacht wird. Die Kinder und Jugendlichen ziehen dann durch die Wälder und entdecken die Natur. „Irgendwann wurde ich gefragt, ob es ein Teilnehmerlimit gibt“, sagt Makynichuk. Doch das gebe es nicht. Jeder, der mitmachen möchte, ist willkommen.
Junge Menschen fühlen sich nicht alleingelassen
In Ostrhauderfehn reflektierten Makynichuk und Martynchuk gemeinsam mit Vertretern von PLI über das bisherige Angebot und die Aktivitäten. „Wir wollen dabei helfen, dass die Leute in der Ukraine bleiben können“, sagt Harald Kleem. Deshalb befindet man sich derzeit in der Planung für eine digitale Sommerschule und für weitere Projekte. „Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, wir fühlen uns nicht alleingelassen“, sagt Makynichuk. Aber sie betont auch, dass sich der Angriffskrieg eben nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen die europäischen Werte richte.