Torfrock-Advent Bagaluten-Wiehnacht ohne Urgestein


Zum 32. Mal fand am Sonnabend in Aurich die Bagaluten-Wiehnacht statt. Die Fans mussten sich dabei an Neues gewöhnen.
Aurich - Alles wie immer bei der 32. Bagaluten-Wiehnacht in der Auricher Sparkassen-Arena? Weit gefehlt: für die Fans der Kultrocker von Torfrock beginnt in diesem Jahr quasi eine neue Zeitrechnung. Der Mitbegründer der Band, Raymond Voß, ist nicht mehr dabei. Er hat sich im Mai dieses Jahres aus gesundheitlichen Gründen aus dem Tourgeschäft verabschiedet. Trotzdem war die Halle auch in diesem Jahr gut gefüllt. Ob allerdings die Stimmung unter dem Fehlen der rauen Stimme des Urgesteins leiden würde, war zunächst ungewiss.
Aber um es vorwegzunehmen: Die Stimmung der rund 2500 Fans in der Arena war auch in diesem Jahr ungebrochen. „So ganz neu ist die Bandbesetzung ja auch nicht“, sagte ein Wikinger, der schon seit Jahren zu den treuen Besuchern der Bagaluten-Wiehnacht gehört. Schon 2018 sei Raymond aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei gewesen. Nur diesmal sei der Abschied halt endgültig. „Das tut dann doch schon ein wenig weh, aber die Neuen um Klaus Büchner machen ihre Sache sehr gut“, so Torfrock-Fan Klaus aus Wittmund. Auch für Hilde und Egon, die mit ihrer Familie aus Westerholt gekommen waren, gibt es nur einen Wermutstropfen. „Die Band hat entschieden, den Titel ,Trunkenbold‘ nicht mehr zu spielen, da er untrennbar mit dem Namen Raymond Voß verbunden ist. Das war mein absoluter Lieblingssong“, bedauerte Hilde.
Besucher kamen von weit her
Damit aber genug von sentimentalen Rückblicken. Für eine der großen, feucht-fröhlichen Partys in der Sparkassen-Arena war alles vorbereitet. Und die überwiegend mit schwarzen T-Shirts und goldenen Wikingerhelmen geschmückten Bagaluten drängten sich schon früh an der Einlasskontrolle. Etwas war jedoch anders als in den vergangenen Jahren. „Wir haben angesichts des zu erwartenden Regens und wegen der etwas geringeren Ticketnachfrage auf die Versorgung auf dem Hallenvorplatz verzichtet“, erklärte der Veranstalter. Doch die lange Theke hatte ihren Platz im Foyer gefunden, so dass kein Bagalut auf seine Biere verzichten musste.

Übrigens sind Bagaluten nach einer freien Übersetzung trinkfreudige, aber harmlose Radaubrüder. Oder nach Bandleader Klaus Büchner: „Es gibt die Bösen und die Guten, aber hier sind alle Bagaluten.“ Angereist waren sie aus allen Ecken Ostfrieslands, teilweise in großen Scharen mit Bussen. Bestes Beispiel waren vier Busse aus Münkeboe. Wie Lara (Münkeboe) und Yvonne (Moordorf) erzählten, haben Mitglieder des VfB Münkeboe die Hin- und Rückfahrt wie auch schon in den Vorjahren organisiert. Selbst aus den anliegenden Bundesländern waren behörnte Wikinger zu sehen. Und alle wurden nach der Einlasskontrolle mit einem fröhlichen und vielstimmigen „Odin“ begrüßt.
„Mandowar“ als Vorband
Etwas besonderes hatten sich Andree Buss und seine Kumpels aus Aurich einfallen lassen. Auf ihren schwarzen Shirts prangten rote Zahlen unter weißen Buchstaben, die jedoch erst dann Sinn machten, wenn die Männer in der richtigen Reihenfolge nebeneinander standen. Dann war zu lesen „Torfrock 2023“. „Das machen wir seit 2018 so und deswegen sind die Shirts auch mit allerlei Zahlen beklebt“, sagte Andree.

Die Bühne hatten inzwischen drei Männer mit extravaganten Cowboyhüten geentert. Die Coverband „Mandowar“ aus Wetzlar. Mit nur drei Saiteninstrumenten, nämlich einer Westerngitarre, einer Mandoline und einer Bass-Ukulele, präsentierten Linus, Nailz und Joe Hardrock und Heavy Metall im Country-, Polka- oder Hillbillygewand. Und wenn der Alice Cooper Song „Poison“ im beschwingten Country-Stil erklingt, sind auch die Hardcore-Fans direkt an der Bühne kaum mehr zu halten. Eine perfekte Einstimmung auf das, was folgen sollte.

Es wird selbst bei den trinkfreudigen Bagaluten weihnachtlich, wenn die Halle in grünes Licht getaucht wird und tausende raue Kehlen das Lied „Oh Tannenbaum“ anstimmen, bei dem die Rocker aus dem fiktiven Torfmoorholm die Bühne betreten. Unter dem Jubel der Fans geht das Weihnachtslied in einen der beliebtesten Hits über. Bei „Presslufthammer Bernhard“ rasten die ersten Fans aus. Jeder in der Halle kennt den Text oder stottert zumindest lauthals das „B-B-B-Bernhard“ mit. Und spätestens wenn das „Ratatazong, ratatazong, weg ist der Balkon“ ertönt, fliegen die Hände in Richtung Decke und die mehr oder weniger gefüllten Bierbecher durch die Halle. Frontmann Klaus Büchner bedankt sich zum ersten Mal mit einem „Vielen, vielen Danke“ und die Wikinger antworten mit „Vielen, vielen Bitte“. Diese Zeremonie wiederholt sich bei jedem der folgenden Kulthits, wie „Beinhart“, „Rollo der Wikinger“ oder „Volle Granate, Renate“. Nur einer der großen Hits – „Trunkenbold“ von Raymond Voß – fehlt an diesem Abend. Mögen die Wikingergötter dem Bandgründer hold sein. „Odin!“.