Prozessauftakt in Aurich Polizisten weisen Gewaltvorwürfe vor Gericht zurück
Bei einem Polizeieinsatz wird ein heute 21-Jähriger in Emden schwer verletzt. Zwei Polizisten stehen deshalb in Aurich vor Gericht. Den beiden Angeklagten werden noch weitere Taten vorgeworfen.
Aurich - Vorwürfe mutmaßlicher Polizeigewalt bei mehreren Einsätzen in Emden haben zwei Polizisten zu Beginn eines Prozesses am Dienstag vor dem Landgericht Aurich zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft wirft den heute 27 und 33 Jahre alten Männern insgesamt fünf Fälle von Körperverletzung im Amt vor, schreibt die Deutsche Presseagentur (DPA). Es geht dabei um drei Polizeieinsätze in Emden, die rund drei Jahre zurückliegen. Bei einem der Einsätze waren laut Anklage beide Beamte des Kommissariats Emden im Dienst. Dabei wurde Ende Mai 2021 ein heute 21-Jähriger so schwer verletzt, dass er mehrere Knochenbrüche im Gesicht erlitt und in einem Krankenhaus behandelt werden musste.
Zu dem Einsatz war es gekommen, weil die Polizei nach dem 21-Jährigen gesucht hatte, nachdem er verschwunden war, so DPA. Polizisten fanden den jungen Mann mit einem E-Scooter an einer Straße in der Emder Innenstadt. Die Kollegen, die nun vor Gericht stehen, wurden als Verstärkung für eine Festnahme hinzugerufen. Dann soll der Einsatz laut Anklage eskaliert sein. Die angeklagten Beamten sollen „massiv“ und „ohne gerechtfertigten Anlass“ den 21-Jährigen körperlich gewaltsam angegangen haben - zunächst am Fundort, dann in einem Polizeiwagen und später im Hof des Polizeikommissariats.
Opfer sagt abgeschirmt hinter Trennwand aus
Die beiden Polizeikommissare ließen über ihre Rechtsanwälte erklären, dass sie den 21-Jährigen bei dem Einsatz fixierten. Der Mann habe sich offenbar in einer „psychischen Ausnahmesituation“ befunden. „Er war sehr aggressiv und schlug mit dem Kopf auf den Boden“, ließ der 27 Jahre alte Angeklagte über seine Rechtsanwältin erklären. Deshalb habe er den Kopf des 21-Jährigen festgehalten, ihn aber keinesfalls geschlagen. Der Mann habe sich nicht beruhigen lassen.
Der 21-Jährige gab vor Gericht an, dass er seitdem Einsatz an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und zuvor bereits eine Angststörung hatte. Er sagte vor Gericht hinter einer Trennwand aus, abgeschirmt von den beiden Angeklagten. Dem 21-Jährigen fehlten allerdings viele Erinnerungen an den genauen Ablauf des Polizeieinsatzes. „Daran kann ich mich nicht erinnern“, sagte er immer wieder auf Nachfragen.
Lebensgefährliche Verletzungen
Er erklärte, nach einer Panikattacke die Wohnung eines Freundes verlassen zu haben, später sei es dann auf der Straße zu dem Polizeieinsatz gekommen. Er gab an, die Polizisten nicht als solche wahrgenommen zu haben. Das Opfer schilderte, wie er in ein Auto gedrängt und dort gewürgt worden sei. Später sei im Hof der Polizeiwache auf ihn eingeschlagen worden, als er mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt war. Wer ihm die Verletzungen zufügte, konnte er nicht erinnern. Er kam mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus. Eine Blutprobe ergab, dass der 21-Jährige unter Drogeneinfluss stand.
Den Angeklagten werden unabhängig voneinander noch zwei weitere Taten von Körperverletzung im Amt vorgeworfen, zu denen es einige Tage vor dem Einsatz in der Innenstadt im April 2021 gekommen sein soll, heißt es weiter im DPA-Bericht. Laut Anklage soll zuvor ein Einsatz wegen häuslicher Gewalt eskaliert sein. Dabei soll der 33 Jahre alte Angeklagte einem Mann mit der Hand ins Gesicht geschlagen haben. Der Mann soll zuvor seiner Aufforderung nach einem Platzverweis nicht nachgekommen sein. In dem anderen Fall wurden Polizisten zu einem Einsatz wegen Ruhestörung zu einer Wohnung gerufen. Dabei soll sich der 27 Jahre alte Beamte eine Rangelei mit dem Bewohner geliefert haben, die dann ebenfalls aus dem Ruder lief. Auch diese Vorwürfe ließen die Angeklagten über ihre Verteidiger zurückweisen.
Fälle von Polizeigewalt selten vor Gericht
Das Gericht will bei den kommenden Verhandlungstagen die weiteren Vorwürfe verhandeln und dazu weitere Zeugen hören. Das Strafmaß für Körperverletzung im Amt sieht nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren vor, bei gefährlicher Körperverletzung im Amt sind es sechs Monate bis zehn Jahre.
Fälle von Polizeigewalt werden an Niedersachsens Gerichten eher selten verhandelt. In den Corona-Jahren von 2020 bis 2022 war die Zahl der Strafverfahren wegen Polizeigewalt und Amtsmissbrauch von Polizisten nach früheren Angaben des Justizministeriums zuletzt zwar gestiegen. Zur Anklage kommen die Verfahren allerdings kaum. Bei der Gewaltausübung durch Polizisten traf das der Statistik zufolge im Jahr 2022 auf keinen einzigen Fall zu, beim Amtsmissbrauch waren es vier Fälle. Laut Polizeigewerkschaften liegt dies daran, dass die Anschuldigungen häufig ungerechtfertigt seien.