Prozesse „Kettensägen“-Prozess: Das Schweigen des Jens Lehmann
Das Landgericht München II befasst sich mit der Frage, ob Jens Lehmann einen Dachbalken angesägt hat. Der Angeklagte gibt sich überraschend wortkarg - und das Gericht urteilt schneller als gedacht.
Nach weniger als drei Stunden ist alles vorbei - und Jens Lehmann hat fast 300.000 Euro gespart. Das Landgericht München II hat die Geldstrafe für den Ex-Nationaltorwart im Prozess um einen skurrilen Vorfall mit einer Kettensäge am Starnberger See drastisch reduziert. Statt 420.000 Euro muss der 54-Jährige jetzt nur noch 135.000 zahlen. Das Landgericht verhängt 150 Tagessätze zu je 900 Euro wegen Sachbeschädigung und versuchten Betrugs und bleibt damit exakt zwischen den Forderungen von Staatsanwaltschaft (170 Tagessätze) und Verteidigung (130 Tagessätze).
Das Amtsgericht Starnberg hatte Lehmann im vergangenen Jahr wegen Sachbeschädigung, Beleidigung von Polizisten und versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 2000 Euro verurteilt - also insgesamt 420.000 Euro. Lehmann hatte dagegen Berufung eingelegt und die Staatsanwaltschaft, die sogar eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert hatte, auch. Lehmann hatte sich in dem Starnberger Prozess - und auch davor und danach wortreich geäußert, die Medienberichterstattung über sein Verfahren kritisiert, von Vorverurteilungen gesprochen, von fehlenden Beweisen.
Lehmann schweigt
Im Berufungsverfahren ist er kaum wiederzuerkennen. Kein Wort spricht der WM-Held von 2006. Auch als er gefragt wird, ob er den Äußerungen seines Anwalts Florian Ufer etwas hinzuzufügen hat, zeigt er nur mit einer knappen Geste, dass er sich ihnen anschließt. Nach dem Urteil verlässt er den Gerichtssaal mit schnellen Schritten und gesenktem Kopf.
Dass es so schnell geht mit der Entscheidung des Gerichts, liegt vor allem daran, dass Lehmann einlenkt. Er und seine Anwälte verständigen sich zu Beginn des Verfahrens mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht darauf, seine Verurteilung wegen Sachbeschädigung und versuchten Betrugs zu akzeptieren. Das Landgericht München II muss darum im zweiten Prozess nur noch darüber entscheiden, wie hoch seine Strafe ausfällt - und das dauert nicht lange. Die Zeugen, die in dem Verfahren aussagen sollten, müssen nicht mehr gehört, das Video, das Lehmann mit der Kettensäge am Balken seines Nachbarn zeigt, nicht mehr angeschaut werden.
Dachbalken mit der Kettensäge angesägt
Die Staatsanwaltschaft hat Lehmann vorgeworfen, mit einer Kettensäge einen Dachbalken in der Garage seines Nachbarn angesägt zu haben. Als Grund wird angenommen, dass der nachbarliche Schuppen die Sicht auf den Starnberger See versperrte. Außerdem soll er in einem Parkhaus am Münchner Flughafen die Zeche geprellt und die Parkgebühren nicht gezahlt haben. Das Verfahren wegen Beleidigung von Polizeibeamten, die zu ihm gekommen waren, um ihm den Führerschein abzunehmen, stellt das Gericht ein.
Aus diesem Grund fällt auch die Zahl der Tagessätze geringer aus als beim Starnberger Urteil. Dass sie außerdem in der Höhe mehr als halbiert werden, liegt an einer anderen Bewertung der Einkommensverhältnisse. Das Amtsgericht Starnberg habe beispielsweise nicht berücksichtigt, dass Lehmann seiner Frau und seiner jüngsten Tochter gegenüber unterhaltspflichtig sei, entscheidet das Landgericht.
Staatsanwalt: Lehmann „glaubt, über dem Gesetz zu stehen“.
Lehmann habe keine Reue gezeigt, sagt Staatsanwalt Stefan Kreutzer. Sein Verhalten beweise, „dass er offensichtlich glaubt, über dem Gesetz zu stehen“. Lehmanns Anwalt Florian Ufer sah das anders. „Ich glaube, da sehen wir jedenfalls in jedem Fall Verantwortungsübernahme und auch Einsicht“, sagt er. Das Gericht müsse sich in seiner Urteilsfindung „frei machen von andauernden und ständigen Vorverurteilungen“. Kommentieren will er das Urteil nicht - ebenso wenig wie sein schweigender Mandant. An Medienvertreter, die vor dem Gerichtssaal warten, verteilt er eine knappe, ausgedruckte „Presseerklärung in Sachen Jens Lehmann“. Auf nur zwei Zeilen heißt es da: „Die heutige Entscheidung ist ein sehr gutes Ergebnis. Das bisherige amtsgerichtliche Urteil war maßlos überzogen, wie die heutige Reduzierung der Geldstrafe um circa 70 Prozent eindeutig belegt.“