Krieg in der Ukraine Selenskyj wirbt bei EU-Gipfel für „Frieden durch Drohungen“

Ansgar Haase, Michael Fischer und Marek Majewsky, dpa
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Von Ansgar Haase, Michael Fischer und Marek Majewsky, dpa
| 17.10.2024 04:58 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Will ein Raketen-Paket zur Abschreckung: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa
Will ein Raketen-Paket zur Abschreckung: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa
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Die Ukraine will westliche Partner mit einem „Siegesplan“ zu einem Kurswechsel bei Waffenlieferungen bewegen. Bei einem EU-Gipfel nennt der Präsident jetzt Details. Dabei geht es auch um Deutschland.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten um die Unterstützung seines Plans für einen Sieg gegen Russland geworben und dabei auch auf die Option einer atomaren Bewaffnung verwiesen. Selenskyj sagte in Brüssel, der Ansatz sei, „Frieden durch Drohungen“ zu schaffen. Dazu sollten Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und die USA dafür sorgen, dass in der Ukraine ein passendes Raketen-Paket stationiert werden könne.

Dieses könnte Russland dann entweder in echte Friedensverhandlungen zwingen oder die Zerstörung militärischer Ziele ermöglichen, erklärte Selenskyj. Es gehe darum, die Ukraine zu stärken, um dann bereit für Diplomatie zu sein. Dabei hänge es vom Willen der Partner ab, ob sein Plan umgesetzt werden könne. Die Option einer atomaren Bewaffnung der Ukraine erwähnte Selenskyj in dem Zusammenhang mit dem Szenario, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine wegen des Vetos von Alliierten nicht möglich sein sollte.

Siegesplan erfordert Kurswechsel von Partnern

Selenskyj spielte mit seinen Äußerungen darauf an, dass Kernpunkte seines „Siegesplans“ einen politischen Kurswechsel von Ländern wie Deutschland erfordern würden. So lehnt es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bislang ab, der Ukraine weitreichende Waffensysteme für Angriffe auf Ziele im russischen Hinterland zu liefern. Ebenfalls keine deutsche Unterstützung gibt es, für den ukrainischen Wunsch nach einer schnellen und bedingungslosen Einladung in die Nato.

Reagiert zurückhaltend auf den „Siegesplan“ des ukrainischen Präsidenten: Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa
Reagiert zurückhaltend auf den „Siegesplan“ des ukrainischen Präsidenten: Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

Scholz machte am Rande des Treffens deutlich, dass er trotz der schwierigen militärischen Lage der Ukraine nicht von seinen bisherigen Positionen abzurücken gedenkt. „Sie kennen die Haltung Deutschlands in den Fragen, die da berührt sind. Daran wird sich auch nichts ändern“, sagte auf eine Frage zu Selenskyjs „Siegesplan“.

Der ukrainische Präsident appellierte allerdings kurz darauf erneut an Scholz. „Wir brauchen seine weitreichende Waffe“, sagte er mit Blick auf deutsche Marschflugkörper vom Typ „Taurus“.

Deutschland und USA bremsen

Scholz stellte sich mit seiner Positionierung abermals auf die Seite der USA, die aus Sorge vor einer weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs ebenfalls zentrale Wünsche Selenskyjs derzeit nicht erfüllen wollen. Auf der anderen Seite stehen vor allem nordische und osteuropäische EU- und Nato-Staaten. Sie argumentieren, dass im Umgang mit Russland nur größtmöglicher Druck zielführend sei.

In nicht öffentlichen Diskussionen wird zudem darauf verwiesen, dass die Einladung zur Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine auch eine Art Trumpfkarte in späteren Verhandlungen mit Russland sein könnte. So könnte die Regierung in Kiew Moskau zum Beispiel anbieten, auf die Nato-Mitgliedschaft zu verzichten, wenn sich Russland aus ukrainischem Gebieten zurückzieht. Eines der erklärten Kriegsziele Russlands ist es nämlich, einen neutralen Status der Ukraine zu erzwingen.

Selenskyj spricht von Atomwaffen-Option

Selenskyj wollte davon allerdings auf einer Pressekonferenz nichts wissen und drohte sogar indirekt mit einer Wiederbewaffnung seines Landes mit Atomwaffen, sollte es nicht Mitglied der Nato werden können. „Welchen Ausweg haben wir? Entweder wird die Ukraine Atomwaffen haben oder wir müssen in irgendeiner Allianz sein“, sagte er und ergänzte er, dass er außer der Nato keine funktionierenden Allianzen kenne.

Für die Nato wäre eine nukleare Wiederbewaffnung der Ukraine ein großer Rückschlag, weil sie sich eigentlich dafür einsetzt, dass sich die Zahl der Atommächte nicht weiter erhöht. In der Ukraine gibt es seit den 90er Jahren keine Nuklearwaffen mehr. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte sich das Land über das sogenannte Budapester Memorandum verpflichtet, die auf seinem Staatsgebiet gelagerten sowjetischen Atomwaffen an Russland zu übergeben. Im Gegenzug bekräftigten die Atomwaffenstaaten Russland, USA und Großbritannien, dass sie die Unabhängigkeit und die Grenzen der Ukraine achten und das Land nicht mit Atomwaffen bedrohen werden.

Russland bekommt Unterstützung von Orban

Aus Russland hieß es bereits am Mittwoch zu Selenskyjs Plan, dieser erkläre in keinem seiner Punkte, wie er den Konflikt lösen wolle, sondern versuche, die westlichen Verbündeten noch tiefer in den Krieg hineinzuziehen. Indirekte Unterstützung bekam Moskau bei EU-Gipfel vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der den ukrainischen Plan als angsteinflößend bezeichnete und forderte, man brauche eine Friedens- und keine Kriegsstrategie.

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda entgegnete: „Unser Zögern ist der direkteste Weg zur Eskalation.“ Dies sei der schlechteste Moment, um mit Verhandlungen zu beginnen, da Russland sich derzeit als die stärkere Partei fühle.

Selenskyj warb nach seinem Besuch beim EU-Gipfel am Abend auch noch bei einem Verteidigungsministertreffen der Nato für seinen Siegesplan und entschlossene Entscheidungen für eine Bündnismitgliedschaft seines Landes. „Die Ukraine in die Nato einzuladen, wird uns diplomatisch stärken und uns einem echten und (...) gerechten Frieden näherbringen“, sagte er bei einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Zudem hätten die Ukrainer gezeigt, dass sie die gemeinsamen Werte verteidigen könnten und die Mitgliedschaft verdient.

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